Zum Ende eines Schuljahres blicken die Schüler*innen und Lehrkräfte der Geislinger Emil-von-Behring-Schule gerne gemeinsam auf das in den vergangenen Monaten Geleistete zurück. Beeindruckende Mengen an neuem Wissen wurden erlangt und zahlreiche Klassenarbeiten, Tests sowie Prüfungen auf zwischenmenschlicher Ebene wurden erfolgreich bestritten. Einige Schüler*innen aus der Jahrgangsstufe 1 des Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasiums hatten sich über das normale Pensum hinaus noch einer weiteren, ganz besonderen Aufgabe gestellt: Mit der freiwilligen Teilnahme am sogenannten „Seminarkurs“ oder dem Wahlfach „NExt“ hatten sie sich dazu entschieden, ein ganzes Schuljahr lang gezielt studien- und berufsvorbereitende Arbeitsformen zu trainieren und sich auf eine mögliche Zukunft in verschiedenen Feldern der Wissenschaft und Forschung vorzubereiten.
Dem fächerübergreifenden und projektorientierten Seminarkurs liegt jedes Schuljahr eine aktuelle und gesellschaftlich relevante Themenstellung zugrunde, anhand der die Schüler*innen erstmals hautnah erleben sollen, was es bedeutet, wissenschaftlich zu arbeiten. Dieses Mal stand alles unter dem Motto „Tradition und Innovation“. In den ersten Wochen erlangten die Schüler*innen zunächst gemeinsam mit den Seminarkursleiterinnen Julia Braunstein und Pia Schlienz ein umfassendes Verständnis der großen Leitbegriffe und sammelten bereits erste Ideen für eine eigene Forschungsarbeit. Es folgte eine wichtige Phase der Recherche und Informationsbeschaffung, denn den Schüler*innen wurde schnell klar, dass gute wissenschaftliche Quellen das A und O für eine erfolgversprechende Arbeit sind. Mit ca. sechs Millionen Medien ist die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart eine optimale Adresse für die Suche nach passender Literatur. Gemeinsam machte sich die Gruppe daher im Oktober auf in die Landeshauptstadt, bediente an den Computerarbeitsplätzen den Online-Katalog, erkundete die vier Etagen des Freihandausleihbereichs und kehrte mit vollen Büchertaschen zurück nach Hause. In den folgenden Monaten entstanden an den heimischen Schreibtischen bzw. den Arbeitsplätzen in der Schule überaus interessante Seminararbeiten. Zum Beispiel wurden die spannenden Fragen untersucht, inwieweit die Digitalisierung an Schulen ein Fortschritt für das Lernen von Schüler*innen darstellt, inwiefern eine Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz ethisch vertretbar ist oder inwieweit das deutsche Wahlrecht eine innovative Neuordnung braucht, um den Willen des Volkes repräsentieren zu können. Die Ergebnisse ihrer ersten eigenen wissenschaftlichen Arbeiten präsentierten die Schüler*innen schließlich im Rahmen eines Kolloquiums, das ihnen zeigte, dass auch mündliche Prüfungen keine unüberwindbaren Hürden sind. Zur Belohnung für ihr ausdauerndes Arbeiten fuhr die Gruppe im Juli erneut nach Stuttgart. Im schönen Fruchtkasten am Schillerplatz wurden die EvBS-ler*innen von Prof. Dr. Sabine Zinn-Thomas und Dr. Angelika Merk von der Landesstelle für Alltagskultur empfangen. Als Teil des Landesmuseums Württemberg ist diese eine außeruniversitäre Forschungs- und Archiveinrichtung. Bei ihrer Gründung 1923 zählte das Sammeln und Bewahren volkstümlicher Überlieferungen in Schrift und Bild zu den zentralen Aufgaben, heute liegt der Schwerpunkt auf gesellschaftlich relevanten Themen des Alltags. Eines davon sind Traditionen und Innovationen – ein „perfect Match“ also mit dem diesjährigen Seminarkurs. Die Schüler*innen erhielten einen exklusiven Einblick in die Arbeit der Landesstelle sowie das Archiv für Populär- und Alltagskultur, womit das intensive Seminarkursjahr seinen krönenden Abschluss fand.
In „NExt“ (Naturwissenschaftliches Experimentieren) stehen das selbständige praktische Forschen zu alltagsrelevanten Aspekten und der naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Mittelpunkt. Einige der Schüler*innen, welche das Fach in der Jahrgangsstufe 1 wählten, hatten bereits Vorerfahrungen durch die Belegung von „NExt“ in der Eingangsklasse. Umso motivierter machten sie sich, überwiegend in Zweierteams, direkt an die Projektfindung und die anschließende Erarbeitung der Theorien hinter ihren geplanten Projekten. Bis Januar hatten sie Zeit für die Abgabe eines schriftlich ausformulierten wissenschaftlichen Theorieteils, bevor im zweiten Halbjahr dann insbesondere das selbständige Experimentieren in den Fokus rückte. Die Kreativität der Schüler*innen und ihr Wissensdurst schienen dabei keine Grenzen zu kennen. So wurde zum Beispiel das Ziel verfolgt, mithilfe von Galvanisierung Modeschmuck kostengünstig von zuhause aus zu versilbern oder ein Parfum aus natürlichen Essenzen herzustellen, das keine reizenden Inhaltsstoffe enthält. Eine andere Gruppe wollte herausfinden, ob Pestizide das Verhalten von Bienen beeinflussen und wieder andere untersuchten Möglichkeiten der Schlafoptimierung durch chemische oder biologische Einflüsse. Die Lehrkräfte Timo Eisele und Manuela Geiselhart lobten das geduldige und kontinuierliche Arbeiten an den verschiedenen Projekten, auch wenn es zwischenzeitlich durchaus ernüchternde Momente gegeben habe. Dass nicht jeder geplante Versuch den erwünschten Durchbruch bringt, gehört zum naturwissenschaftlichen Experimentieren dazu, hat die Schüler*innen letztlich aber nur bestärkt, nicht aufzugeben und weiterzumachen – eine Fähigkeit, wovon sie sicher auch im Alltagsleben stark profitieren werden. Nach einem Jahr intensiven Forschens beendeten die Schüler*innen ihre Arbeiten schließlich mit der Vorstellung eines wissenschaftlichen Plakats, der Abgabe eines Laborjournals, in dem alle durchgeführten Experimente handschriftlich dokumentiert wurden sowie einem Kolloquium. Die Ergebnisse stellten nicht nur großartige Erfolge unter Beweis, sondern auch, wie viel Forschertalent in den Schüler*innen der Emil-von-Behring-Schule steckt. So stehen einer Karriere als Wissenschaftler*innen und der Erfindung nützlicher Problemlöser nichts im Wege.
Artikel: Julia Braunstein
Bilder: Julia Braunstein, Maja Zimmermann, Alisa Tippelt/Marie Hofmann