Ängste, Zwänge, Depressionen, Essstörungen, traumatische Ereignisse und vieles mehr stellen den Alltag von Menschen völlig auf den Kopf. Doch nicht nur bei Erwachsenen zeigen sich psychische, psychosomatische oder neurologische Störungsbilder, auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein. Gerade in jungen Jahren entwickelt sich die Persönlichkeit deutlich schneller und in einem weit größeren Ausmaß als im Erwachsenenalter und Verhaltensweisen, die zunächst als normal gelten, können in späteren Entwicklungsphasen zur Krankheit werden. Deshalb sind kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen, die Betroffenen möglichst früh helfen, von besonders großer Wichtigkeit.
Auch die Auszubildenden in der Pflege an der Emil-von-Behring-Schule sowie die Schüler*innen des Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasiums mit dem Profilfach „Pädagogik und Psychologie“ kommen mit diesem Themenfeld in Kontakt. Während die Gymnasialschüler*innen in der Jahrgangsstufe 1 im Unterricht unterschiedliche Erklärungsansätze für psychische Erkrankungen behandeln, absolvieren die angehenden Pflegekräfte im Rahmen ihrer Ausbildung einen verpflichtenden Einsatz in der Pädiatrie und erleben so eine völlig andere Seite der Pflege. Um beiden Gruppen einen intensiven Einblick in die Arbeit in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie zu gewähren, organisierte Lehrkraft Astrid Bruno einen gemeinsamen Vormittag mit einer absoluten Expertin: Nadine Butzengeiger, Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Praxisanleiterin in der generalistischen Pflegeausbildung, berichtete von ihrer vielseitigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Christophsbad in Göppingen und zog mit ihrem praxisorientierten Vortrag alle Lernenden in ihren Bann.
14 Plätze sind auf Nadine Butzengeigers Station mit Kindern und Jugendlichen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in die Einrichtung kommen, besetzt. Seit der Corona-Pandemie haben Schulabsentismus, Störungen des Sozialverhaltens und Medien- bzw. Spielsucht ein extremes Ausmaß angenommen. Doch unabhängig davon, was zu einer stationären Aufnahme führt – das interdisziplinäre Team, das die Betroffenen während ihrer Behandlung betreut, möchte allen helfen. Das wichtigste Ziel dabei sei es, die Alltagsfähigkeit (wieder) herzustellen, erklärt Nadine Butzengeiger, angefangen bei den vermeintlich selbstverständlichsten Dingen wie dem Zähneputzen. Zunächst erfolgt eine ausführliche Diagnostik, zu der Beobachtungen, Fremdanamnese und verschiedene Gespräche gehören. Der darauffolgende Behandlungsalltag ist vor allem durch Struktur, Routinen und Rituale geprägt, außerdem spielen Sport und Bewegung, alltagspraktische Tätigkeiten, Medienberatung sowie Ausflüge und Erlebnispädagogik zur Stärkung der Gemeinschaft eine wichtige Rolle. Klar ist: Jeder Therapieerfolg ist besser als keiner. Leider, räumt Nadine Butzengeiger allerdings offen ein, gibt es aber keine Garantie auf eine Heilung. Die Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen, Erzieher*innen und Pfleger*innen sind darauf angewiesen, dass die Kinder und Jugendlichen sich öffnen, eine Änderungsbereitschaft zeigen und kooperieren wollen. Dass Betroffene, denen dies nicht gelingt, auch einmal ohne gute Perspektiven entlassen werden müssen, gehöre, so schwer es auch sei, zum Beruf dazu – „Wir sind eben keine Reparaturstelle wie eine Autowerkstatt, sondern können nur Begleitung und Hilfestellungen anbieten“, so Nadine Butzengeiger. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen müsse man insbesondere lernen, „zwischen den Zeilen zu lesen und flexibel zu bleiben“. Trotz schwieriger Situationen überwiegen in ihren Augen jedoch ein spannender und abwechslungsreicher Berufsalltag, ein enges Miteinander und die Möglichkeit, aus der eigenen Komfortzone hinauszutreten.
Für die Auszubildenden war der Vortrag eine besondere Gelegenheit, ihren bereits abgeleisteten Außeneinsatz zu reflektieren bzw. einen Eindruck davon zu bekommen, was sie in der ihnen noch bevorstehenden Zeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erwartet. Die Schüler*innen aus dem Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasium freuten sich dagegen vor allem über den hergestellten Praxisbezug, der im Unterricht sonst nur in Form von Fallbeispielen besprochen werden kann. Insgesamt gelang es Nadine Butzengeiger, Lernende der Emil-von-Behring-Schule schulartenübergreifend zu erreichen und gleichzeitig einen wertvollen Beitrag dazu zu leisten, dass psychische Erkrankungen enttabuisiert werden und bereits im Kindesalter dafür sensibilisiert wird.
Die Aussicht auf ein Praktikum in der Pädiatrie hat Sie neugierig gemacht und Sie möchten selbst erfahren, wie vielseitig und spannend der Pflegeberuf sein kann? Dann nehmen Sie gerne mit der Emil-von-Behring-Schule unter info@evbsg.de Kontakt auf und beginnen Sie Ihre generalistische Pflegeausbildung.
Artikel: Julia Braunstein
Bilder: Anna Biermann